Unlängst. Bei einer Ausstellungseröffnung in einem der großen staatlichen Museen in Wien. Die Direktorin sitzt mit ihrem Team in der Mitte des Saals. Auf Goldstühlchen. Auf Zuruf werden Einzelne in diesen Kreis geholt. Aufgenommen. Alle anderen müssen rundum stehen.
Es gibt also Eingeladene zu dieser Eröffnung und unter denen gibt es dann Eingeladenere. Eine Hierarchie der Einladungen ist das, die dann eine Hierarchie der Nicht Eingeladenen spiegelt. Man oder frau kann schon zur Eröffnung nicht eingeladen sein und dann, obwohl dorthin eingeladen, nicht zum inneren Zirkel der Goldstühlchensitzer vorgelassen werden. Aufstieg wird hier gespielt. Aufstieg in ein Zentrum, das hier am Kreis der Goldstühlchen im feudal barocken Rahmen den Rückgriff auf wiederum feudale Auswahlkriterien illustriert. Es drückt sich in diesem Goldstühlchenzirkel eine Art vorstaatlicher Besitzergreifung aus, die das Recht zu diesem Zirkel aus dem eigenen Beitrag ableitet. Die Richtung der Verschiebung geht von Verwaltung staatlichen Eigentums in der Führung eines Museums, dessen Begehren das Objekt war, zu einem quasiprivaten Management mittels Sponsoring, dessen Ziel die Selbstdarstellung des Managements und der Sponsoren vermittels der Objekte geworden ist. Die Objekte sind also dahin zurückgeführt, wo sie gedacht wurden. Den Objekten fällt wieder die Beschreibung des Aufenthalts feudaler Macht zu. Sekundär ist das. Eine Art Wirkungsrecycling ist das. Und. Der, diesen Kunstwerken abgetrotzte Eigenwert durch die Autorschaft des Künstlers wird durch solchen Gebrauch zum Verschwinden gebracht.
Ein solcher Vorgang ist antidemokratisch. Im Augenblick des Zurufs, einer oder eine solle sich zum Kreis der auf den Goldstühlchen Sitzenden gesellen. In diesem Augenblick wird auf einer Ebene der sozialen Gefühle die Demokratie aktiv außer Kraft gesetzt. – Erinnern wir uns, es handelt sich um ein staatliches Museum, das dann immer noch von allen miterhalten wird.
Bei Rousseau heißt es zur Demokratie, »daß der Reichtum keinem Staatsbürger die Möglichkeit verschafft, sich einen anderen zu kaufen und die Armut niemanden zwingt, sich verkaufen zu müssen.« Der Reichtum, um den es hier geht und der die Währung der Zulassung zur Macht geworden ist, ist die gesellschaftliche Geltung. Es ist ein lebenswichtiges Gut geworden, zu den Goldstühlchenzirkeln herangerufen zu werden. Die Politik findet da statt. Politik stellt sich über die Einladung dorthin her. Stets sich ein wenig verschiebende Gruppen national und international setzen sich auf die immer gleichen Goldstühlchen und trinken denselben Champagner und bestimmen auf allen Ebenen. Im Fließen dieser ohne Form alle Wirkung entfaltenden Eliten ist die Aufhebung der Urheberschaft zu Ende geführt. Damit muß diese Politik sich selbst gar nicht mehr sehen. Ja. Das Eingetaucht Sein in diese Zirkel löscht jedes Bewußtsein von Macht und läßt die Machtausübung als gesellschaftliche Konvention auftreten. Der Zutritt zu diesem Eintauchen Dürfen erfolgt über Einladung. Nicht eingeladen zu sein, bedeutet also etwas. Diese Nicht Einladung abzutun und nicht ernst zu nehmen, ist dann nur die andere politische Verfehlung.
Die Kunst heute. Literatur. Urheber. Urheberinnen. Alles Begehren auf eine Deutung des Jetzt. In dieser Privatisierung der Macht durch die Macht ist die Lebensform der eigentliche Schauplatz des Ausdrucks geworden. Und es muß mit genau der verzweifelten Komik des Am Abgrund Tanzens und Gerade Nicht In Den Abgrund Fallens genommen werden, daß das Gegensatzpaar nun Kunst und Gesellschaftsberichterstattung lautet. Die Macht tritt ja andemokratisiert auf und will sich zeigen. Gegenstand des Berichts über die Macht sind die Protagonisten des Gesellschaftlichen, wie es auf den Goldstühlchen sitzt. Die Deutung dieses Vorgangs ist allein über versprachlichende Verfahren noch möglich. In welcher künstlerischen Sprache auch immer. Und. Die Autorschaft, die sich nicht in den Goldstühlchenzirkel zitieren lassen will. Jetzt einmal ist sie unabdingbare Notwendigkeit der Selbstorientierung der deutenden Versprachlichung und wir müssen über die Autonomie des Werks wieder anders nachdenken. Wie könnte eine unheroische Autonomie gelingen, die nicht gleich selbst kanonkonform nur eine andere Ebene der Goldstühlchensitzerei einführt.
Das unlängst. Die Aufnahme in den Goldstühlchenkreis. Im österreichischen Kontext ist das diese schräg verschnittene Erfüllung des austrofaschistischen Auftrags, vor die Aufklärung zurück zu gehen. Das 18. Jahrhundert auszulöschen. Das führt sich dann andemokratisiert vor und muß von seiner Ableitung nichts wissen. Das wird in anderen Gesellschaften anders angeordnet auftreten. Aber wie in allen Dingen des Globalisierten sind solche Anordnungen immer kompatibel. Die Salzburger Festspiele etwa versammeln die Goldstühlcheneliten vieler Gesellschaften, die sich dann selbst als Mitspieler dieses Gesamtereignisses auftreten lassen. Die Nicht Eingeladenen werden über die society Berichterstattung in Schlüssellochperspektive zum Publikum degradiert. Zu denen, die nicht einmal eine Einladung je bekommen könnten, es sei denn es gäbe eine voting show, in der über das Verkaufen von sich selbst, der Arme in den Besitz des Guts der gesellschaftlichen Geltung kommen kann. Wir werden das erleben. Das Thing Spiel in seinem ewigen come back.