Wie übersetzen sich imperiale Wunderkammern, Repräsentationskunst und bürgerliche Bildersammlungen des Vor-Medienzeitalters in eine Kulturpolitik der Zukunft? Überhaupt: Wie definiert sich kulturpolitische Gestaltung in einer globalisierten Kulturindustrie, was vermag sie angesichts der so genannten "Kreativwirtschaft" in den Gesellschaften des Informationszeitalters zu leisten? Dient Kunst als Segment nur noch dem urbanen Entertainment sowie dem städtetouristischen Wettbewerb Europas?
Rein statistisch gesehen, ist Kulturpolitik in den Medien kein Thema. In den Redaktionen wird Kulturpolitik immer häufiger als zu wenig "sexy" zurückgewiesen, in Kulturkritiken ist gelegentlich sogar zu lesen, dass nicht die Kulturpolitik schlecht sei, sondern die Künstler und Künstlerinnen selbst. Was schließlich bedeute, dass es gar nicht soviel Förderungswürdiges gäbe. Wer etwa in den Online-Diskussionsforen des medialen Mainstream Nachschau hält, findet reichlich Neid und Missgunst auf all jene, die auf vermeintliche Staatskosten von der Allgemeinheit durchgefüttert werden. Aber wurde nicht das expressive Streben genau jener schon oft belächelt, die – auch sonst wenig erfolgreich – sich ausgerechnet im scheinbar kaum verifizierbaren Feld der Kunst versuchen? Sie erscheinen jedenfalls nicht obskurer als der erfolgreich geltende TV-Manager, der zudem malt und "eigentlich" als Künstler erkannt und verstanden werden möchte. Was ist letztlich irritierender, das mäßig begabte Nachempfinden einer falsch verstandenen Kunstgeschichte, oder die aufgesetzte Haltung von "engagierten" Kunstschaffenden, die in ihrem Tun vor allem eine Marktoption mit Aufstiegsmöglichkeiten sehen? Finden sie sich nicht auch in einer Schnittmenge wieder? Gemeinsam mit dem Luxusausstattungs-Vertragskünstler, dem Society High Art Circuit und – nicht zu vergessen – mit den vielen Adepten und Adeptinnen einer zweifelhaften "Selbstverwirklichung".
Der renommierte Kunstkritiker, Kurator und Publizist Simon Sheik beschrieb die Kunstwelt als ein "Schlachtfeld, auf dem unterschiedliche ideologische Positionen nach Macht und Souveränität streben". Entgegen vielfach anderslautenden Meinungen zeigte er sich in seinen Thesen zu einer "Welt in Fragmenten" davon überzeugt, dass die Kunst nicht als ein "autonomes System" zu bezeichnen sei, "sondern von Ökonomien und Politiken reguliert" werde, was wiederum in einer "kritischen Theoriebildung und in kritischen kontextuellen Kunstpraxen" zu reflektieren ist. Umso mehr erstaunt, dass hier im Allgemeinen nicht kritische Diskursfelder der Analyse anzutreffen sind, sondern bemüht kultiviert vorgetragene Expertisen, die das Bild des genialen Einzelwerks als Inbegriff einer inzwischen überholten Verwertungslogik unverändert in die Höhe heben. Ein theoretisches Fundament, auf dem historische Bruchstücke der Kunstverständnisse verschiedenster Epochen und ökonomischer Zusammenhänge auf wundersame Weise zusammengeklittert werden. Im Kerngebiet der alten Monarchie ist das nicht weiter verwunderlich. Vielmehr resultiert dieses Bild aus einer über Jahrhunderte andauernden Vertreibung der Vernunft, deren letztes Kapitel wenige Jahrzehnte zurückliegt – und trotzdem noch gar nicht so lange wahrgenommen wird.
In einem Land ohne Opposition, dessen Geschichte keine soziale Revolution, sehr wohl aber die zweifelhafte Einrichtung des Metternichschen Polizei- und Überwachungsstaates vorzuweisen hat. Von der Gegenreformation gebrochen, kennzeichnete die Kultur der Rückgratlosigkeit ein nach Innen wie auch nach Außen verfaulendes und rückständiges Kaiserreich und setzte sich auch nach dessen Ende weiter fort. Die Säuberungen, Verfolgungen und Marginalisierungen erfuhren in den darauf folgenden Gewaltherrschaften von Diktatur und Nationalsozialismus eine nochmalige Steigerung. Und dennoch gelang es einer kritischen Intelligenz, dem Land und seinem Zentrum Wien ein bis heute prägendes Profil zu verleihen, das sich dem Mief der Provinzialität unermüdlich widersetzt. Kampfzonen in Kunst und Medien versucht, die kritischen Stimmen der Gegenwart zu einem gemeinsamen kulturpolitischen Statement zu versammeln. In 25 Beiträgen spannt der Sammelband einen breiten sowie auch inhaltlich heterogenen Bogen, der Themen, Dokumentationen und Überlegungen umfasst, die einerseits politischen Konflikten unmittelbar entsprungen sind, andererseits aber zu kunst-, kultur- und medienpolitischen Kampfzonen aus einer wissenschaftlichen Beobachtung Stellung nehmen. Der Streitfall des Filmfestivals Diagonale als drastisches Anschauungsbeispiel für den Versuch einer autoritären Rechtsregierung, das unabhängige Kunst- und Kulturschaffen an das Gängelband zu nehmen, darf in einer solchen Zusammenschau ebenso wenig fehlen, wie der seit über einem Jahrzehnt anhaltende neoliberale Paradigmenwandel in der Kunstförderung. Anzusprechen ist hier auch die von der Politik offensichtlich gewünschte Destabilisierung der künstlerischen Existenz, die – trotz der Versprechen einer grundlegenden Sanierung der von der ÖVP-Kulturpolitik als Künstlersozialversicherung deklarierten Zuschusssystems – immer in eine immer akuter werdende Prekaritätsspirale aus Zynismus, Gleichgültigkeit und Disziplinierungsmaßnahmen gerät.
Die Erfahrung mit Kontrolle und Betriebswirtschaftszwängen im Kulturbetrieb, mit bislang ungekannten Einschränkungen durch rigide Copyright-Regime, rückt auch die Frage nach der Freiheit der Kunst erneut in den Brennpunkt, wobei der öffentliche Raum als Austragungsort einer diesbezüglichen Debatte die Raubzüge der Privatisierung immer rücksichtsloser zu spüren bekommt. Davon wissen neben Museen und Kunstinstitutionen vor allem auch die Universitäten mehr als nur ein Klagelied zu singen. Forschung und Lehre wurde das Humboldtsche Ganzheitsprinzip mit dem neoliberalen Rohrstab ausgetrieben, stattdessen werden die Studierenden durch das im Bologna-Prozess vereinheitlichte Hochschulwesen gejagt. Hier schließt sich der Kreis im Kampf um die Autonomie des Individuums, dessen Kampf um Selbstbestimmung und freie Meinungsäußerung vor den Medien nicht Halt machen darf. Nonkonformismus und Kritikvermögen treten hier zunehmend auf brüchiges Terrain.
Hier fällt auf, dass insbesondere mediale Selbstermächtigung auf feindselige Abwehr der Regierenden stößt, was sich durch eine politische Kultur jahrzehntelanger Unterwerfung erklären lässt, deren Ergründung in ihren historischen und soziokulturellen Wurzeln eine wichtige Ausgangsbasis für kulturpolitische Zukunftsstrategien bildet. Kampfzonen in Kunst und Medien unternimmt einen wichtigen Versuch zur Sichtbarmachung einer kritischen Intelligenz, deren Bedeutung für die demokratische Bestandssicherung einer öffentlichen Sphäre immer weniger Wertschätzung erfährt und daher letztlich unterzugehen droht. Angesichts fundamentaler Veränderungen von Gesellschaften auf ihrem Weg zu Informationsökonomien sind Texte zur Analyse und Artikulation einer Kulturpolitik der Zukunft jedenfalls auch für Österreich unerlässlich.