Die Mär von der Erfolgsgeschichte

Dass die Ausgliederung eine "Erfolgsgeschichte" ist, scheinen auch die Autoren des Grundsatzpapiers nicht zu glauben (wiewohl sie dies in der Einleitung behaupten). Denn sie fordern die "Analyse von Schwächen, Problemen und Defiziten" ein und stellen – im Sinne eines angeblich offenen Diskussionsprozesses – Fragen: "Hat der Bund die Chancen und Möglichkeiten, Verpflichtungen und Verantwortungen, die sich aus der Ausgliederung der Museen ergeben haben, genutzt? Welche Aufgaben soll das für Museen zuständige Bundesministerium mittelbar und unmittelbar wahrnehmen, um seine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung bzw. gegenüber den Bundesmuseen zu erfüllen?"

Trenkler Thomas

Die Ausgliederung der Kunstmuseen und ihre Auswirkungen

Anfang November 2007 wandte sich Unterrichtsministerin Claudia Schmied nach etlichen Monaten wieder einmal der Kulturpolitik zu: Sie kündigte an, bei den Bundesmuseen einen "Innovationsschritt" setzen zu wollen. Denn es gelte, die "Erfolgsgeschichte" fortzusetzen.

Um erahnen zu können, wie diese weitergeht, ist es zwar nicht notwendig, das erste Kapitel (die kaiserlichen Sammlungen und die Staatsgalerie im Belvedere als bürgerliches Gegenstück) zu rekapitulieren. Auch die Museumsneuordnung Anfang der 1920er-Jahre kann man auslassen. Aber die letzten zwei Kapitel müssen kursorisch doch in Erinnerung gerufen werden.

In den 90er-Jahren trug Konrad Oberhuber, Direktor der Albertina, sein kleines Kind auf den Schultern und widmete sich lieber der Wissenschaft denn der baulichen Sanierung des geschlossenen Palais. Gerbert Frodl (Österreichische Galerie Belvedere) brillierte mit Höflichkeit und einmal sogar mit einer Monet-Retrospektive. Lóránd Hegyi, Chef des auf zwei Standorten verteilten Museums Moderner Kunst, gab den Charmeur. Und Peter Noever, Reformer des zum MAK verkürzten Museums angewandter Kunst, schickte seiner Ministerin, Elisabeth Gehrer, Rosen. Für Aufregung sorgte einzig der aus Deutschland engagierte Direktor des Technischen Museums: Thomas Werner beschimpfte Sektionsleiter Rudolf Wran 1997 als "Missbildung eines österreichischen Beamtenkörpers", was seine Zeit in Wien gehörig verkürzte.

Alle, die etwas zu sagen hatten, waren Männer. Und als solche akzeptierten sie Wilfried Seipel, den Generaldirektor (des Kunsthistorischen Museums), als Alpha-Tierchen. Er trumpfte mit Gold-aus-überall-Ausstellungen auf, die, in der sogenannten "Teilrechtsfähigkeit" organisiert, dem Kunsthistorischen Museum Einnahmen brachten und Lust auf mehr machten: Seipel wollte die volle Autonomie für sich – und daher für alle Museen.

Das Machtgefüge kam aber nicht so sehr durch die 1988 per Gesetz beschlossene Ausgliederung durcheinander, sondern durch einen neuen Mitspieler, der sich als Konkurrent entpuppte: Klaus Albrecht Schröder, Oberhubers Nachfolger, vertrat die Meinung, dass monokulturelle Ausstellungen passé seien. Der Besucher erwarte sich eine vielschichtige Präsentation, also die Zusammenführung von Ölgemälden und Studien. Aus diesem Grund sei es, meinte Schröder, durchaus sinnvoll, die von ihm geleitete Graphische Sammlung mit der Österreichischen Galerie zu fusionieren: Die beiden Museen würden sich hervorragend ergänzen.

Dieses Statement, das eine hitzige Diskussion entfachen sollte, war nur eine Reaktion auf Seipel. Denn der KHM-Boss hatte Anfang 2001 das Theater- und das Völkerkundemuseum seinem Reich eingegliedert. Dessen Hunger nach neuen Einflussbereichen schien keine Grenzen zu kennen: Seipel mischte bei der Ausgliederung des Technischen Museums mit, plädierte für ein Kunstzentrum auf dem Mönchsberg unter seiner Leitung und konnte sich auch eine Übernahme der Albertina vorstellen. Schröder unternahm also nur einen Versuch, Seipel das Feld nicht kampflos zu überlassen – indem er plausibel darlegte, warum die Österreichische Galerie, die damals als Verschubmasse galt, der Albertina zugeschlagen werden sollte. Kollegen wie Gerald Matt (Kunsthalle Wien) und Peter Noever warnten indes ausdrücklich vor einer "Machtkonzentration" und der "Machtgier megalomaner Kulturmanager".

Obwohl es bei Planspielen blieb, war die Atmosphäre vergiftet. Zumal man begann, sich gegenseitig Ausstellungen wegzuschnappen. So zeigte Rudolf Leopold in seinem Museum, das zwar vom Bund finanziert wird, aber kein Bundesmuseum ist (und daher bis heute nicht zur Restitution verpflichtet werden kann), die Druckgrafik von Toulouse-Lautrec. Schröder nahm Leopold zwar nicht übel, mit einem "Schnellschuss" in die Domäne der Albertina (eben Grafik) eingebrochen zu sein, aber er selbst hatte Toulouse-Lautrec geplant gehabt. Nicht irgendeine Wanderausstellung mit Reproduktionsware, sondern eine, die seinen Ansprüchen genüge getan hätte. Doch Schröder wusste einen Ausweg: Er zeigte Piet Mondrian. Diesen Wegbereiter der Moderne schnappte er seiner Lieblingsrivalin weg, die seiner Meinung nach nur "Kunst-Quickies" anbiete: Ingried Brugger, Direktorin des Kunstforums, hatte bereits seit geraumer Zeit mit Den Haag über eine Mondrian-Schau verhandelt. Aber Schröder konnte prima Tauschware anbieten, über die Brugger nicht verfügt.

Über noch bessere Tauschware verfügte Seipel: Er negierte die Expertenmeinung, dass "Die Malkunst" von Vermeer nicht mehr transportiert werden dürfe, und verlieh das Gemälde mehrfach, so 2003 auch nach Madrid. Im Sommer darauf konnte er mit einer Sensation aufwarten: Er zeigte Goya. Das Nachsehen hatte Gerbert Frodl, der eine Dekade lang über eine Goya-Schau verhandelt hatte. Aber das Belvedere konnte eben "nur" Franz Xaver Messerschmidt anbieten.

Obwohl die Bundeskunstmuseen den gleichen Eigentümer hatten (und haben), kam es kaum zu Kooperationen. Seipel fragte zwar Schröder, ob er nicht parallel zur Goya-Retrospektive das grafische Werk des Spaniers präsentieren wolle. Aber Schröder lehnte ab, weil ihm eine solche Schau nicht ins Konzept passte: Er hatte die Bestimmung "Graphische Sammlung" einfach gestrichen und betrieb, wie Ingried Brugger trocken feststellte, den einst von ihm kritisierten "Kannibalismus" in Perfektion, indem er fast alle Bereiche zu Kernkompetenzen der Albertina erhob: Sein Programm umfasst weiterhin Gegenwartskunst, Biedermeier, klassische Moderne, Alte Meister, Pop-Art, Architektur und Fotografie. Im Februar 2004 holte Seipel zum Gegenschlag aus: Er kündigte an, ab 5. Dezember zusammen mit dem neu eröffneten Liechtenstein Museum und der Gemäldegalerie der Akademie "Rubens in Wien" zu präsentieren. Damit bremste er Schröder aus, der längst kundgetan hatte, ab April 2005 eine umfängliche Rubens-Retrospektive zu zeigen. In Wien tobte also ein Kampf um die potentiellen Besucher, die nur zögerlich mehr wurden: Die Direktoren strapazierten vor allem große Namen und Klassische Moderne, statt Inhalte aufzubereiten, die zur Geschichte und Sammlung des jeweiligen Hauses passen.

All das tangierte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer nicht. Aufgrund der permanenten Kritik, dass die Kunstmuseen kaum Profile hätten (oder sich, wie das MAK, nicht an diese halten würden), beauftragte sie schließlich doch eine Evaluierung. Und zwar durch Fachleute, die von den Institutionen nominiert worden waren. Dementsprechend positiv fielen die Zeugnisse aus, die Ende Februar 2005 lediglich in Auszügen präsentiert wurden. Gehrers selbstgefälliges Resümee: Die Entscheidung, die Museen in die Vollrechtsfähigkeit zu führen, sei richtig gewesen. SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen konstatierte hingegen, dass an den "brennenden Fragen", etwa Überschneidungen zwischen den Museen, "elegant vorbeiuntersucht worden" sei. Und Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, bezeichnete die Studie als "Werbebroschüre".

Angesichts "aufkeimenden Feudalismus" der Direktoren, "Doppelgleisigkeiten" im Sammlungsbereich, gegenseitiger Konkurrenzierung hatte er kurz zuvor seine "Vorschläge zur Neuordnung der Bundeskunst- und -kulturmuseen" unterbreitet. Sein Konzept, "Ordnung" zu machen, war radikal: Zinggl wollte drei Sammlungen (Albertina, Österreichische Galerie, Gemäldesammlung der Akademie) auflösen und deren Bestände den anderen Kunstmuseen zuschlagen. Die Großausstellungen hätte er gern zentralistisch konzipiert gesehen gewusst: Eine dafür zu errichtende Gesellschaft sollte ein Zugriffsrecht auf alle Exponate haben. Gehrer war aber für keine weitere Diskussion zu haben.

Nach der Bildung einer großen Koalition im Jänner 2007 wanderte die "Kultur", also die Bundesmuseen, die Nationalbibliothek und der Denkmalschutz, nicht, wie man erwarten durfte, zu Wissenschaft und Forschung. Damit endete eine unglaublich lange Ära: Exakt zwei Jahrzehnte lang (1987 folgte Hans Tuppy als Wissenschaftsminister auf den jetzigen Bundespräsidenten Heinz Fischer) hatte ein ÖVP-Minister seine schützende Hand über die Museumsdirektoren gelegt. Und Claudia Schmied, Gehrers Nachfolgerin, nährte die Hoffnung, dass es nun endlich zu einer objektiven Evaluierung und zu einer oft geforderten Feinabstimmung zwischen den Programmen kommen könnte. Denn als einer ihrer ersten Schritte ließ sie im März das Gesetz novellieren: Sie sicherte sich das Recht zu, mit den Museen "Rahmenzielvereinbarungen für die Dauer von jeweils drei Jahren" abzuschließen. Doch dann passierte so gut wie nichts. Erst Mitte September lud Schmied die Direktoren und Direktorinnen (darunter Agnes Husslein, die seit Jänner 2007 das Belvedere leitet) zu einer Gesprächsrunde ein. Sie hatte aber keine konkreten Pläne mitzuteilen, sondern teilte nur Fragebögen aus: "Was ist grundsätzlich die gesellschaftliche Relevanz von Museen? Wo soll die Gesamtheit der Bundesmuseen in zehn Jahren stehen? Welche Sammlungs- und Programmbereinigungen schlagen Sie innerhalb der Bundesmuseen vor und in welcher Form sollen diese erfolgen? Wo besteht bei den Bundesmuseen übergreifender Handlungsbedarf?"  Und so weiter.

Diese Fragen würden, kommentierte ÖVP-Kultursprecher Franz Morak, "von krasser Inkompetenz" zeugen und "wären viel eher von den kulturpolitisch Verantwortlichen zu beantworten ". Der ehemalige Kunststaatssekretär brachte daher eine parlamentarische Anfrage ein – "in Anlehnung" an den Fragenkatalog: "Was ist grundsätzlich die gesellschaftliche Relevanz der Kulturpolitik? Wo soll die Kulturpolitik des Bundes in zehn Jahren stehen? Welche Personal- und Programmbereinigungen schlagen Sie innerhalb der derzeitigen Kulturpolitik vor? Wo besteht in der Kulturpolitik des Bundes übergreifender Handlungsbedarf?" Und so weiter.

Schmied ließ sich aber nicht irritieren – und zog aus den Antworten der Direktoren keine Schlüsse: Anfang November stellte sie lediglich "einen Fahrplan in Bezug auf die Neuausrichtung der Museumspolitik" vor. Dieser sieht zunächst eine von drei Moderatoren betreute "Zukunftsdiskussion " vor, in die auch die Bevölkerung eingebunden werden soll: "Die aktive Teilhabe an der 'Sammlung Österreich' muss noch vor den traditionellen Aufgaben der Museen – Sammeln, Bewahren, Erforschen, Präsentieren – an der Spitze der kulturpolitischen Prioritäten und Überlegungen stehen." Das neue Schlagwort lautet schließlich "Partizipation". Almuth Spiegler konnte sich in "Die Presse" vom 9. November 2007 einen beißenden Kommentar nicht verkneifen: "Unter www. museumsreform.at werden Sie – schon bald! – selbst mitreden können, wie Ihre Bundesmuseen in Zukunft aussehen sollen. Inhaltlich, strukturell, finanziell. Wir nehmen Sie mit Ihrer Meinung zur bildenden Kunst, zum Museumswesen endlich ernst. Soll Fäkalkunst, abstraktes Geschmiere, unverständliches Videozeugs gesammelt werden? (...) Nachhaltige Sammlungsschwerpunkte, zukunftsweisende Ankäufe, wissenschaftliche Publikationen, aufsehenerregende Ausstellungen – wir freuen uns auf Ihre Postings. Alles ist möglich." Und: "Nächste Staffeln dieses Formats zur Popularisierung komplexer Bereiche wären vorstellbar: Aktiv die Verteilung von Forschungsgeldern mitbestimmen. Aktiv die Struktur des Bundesheeres verändern. Oder aktiv mitbestimmen, ob eine derart komplizierte, jegliche Entscheidung verzögernde und Verantwortung abschiebende sowie völlig visionslose Kulturpolitik überhaupt noch jemand ernst nimmt."

Dass dieses Beharren auf die "aktive Teilhabe" eher dem Populismus zuzuordnen ist, wird bereits klar, wenn man sich das bei der Pressekonferenz verteilte Grundsatzpapier der "AG Bundesmuseen" durchliest, das von den drei Moderatoren Dieter Bogner (Museumsberater), Sabine Breitwieser (Ex- Direktorin der Generali Foundation) und Martin Fritz (Intendant des Festivals der Regionen) zusammen mit Sektionsleiter Michael Franz verfasst wurde. Doch vor der Analyse dieses Papiers ist noch ein weiterer Rückgriff notwendig. Denn ihre Pressekonferenz hob Claudia Schmied mit dem Satz an: "Nach der sehr erfolgreich zu bezeichnenden Ausgliederung der Bundesmuseen vor zehn Jahren geht es jetzt darum, einen nächsten Innovationsschritt zu setzen." Und auch das Grundsatzpapier beginnt mit: "Die Ausgliederung der Bundesmuseen Ende der neunziger Jahre war ein Erfolg. Vollrechtsfähigkeit und wirtschaftliche Autonomie lassen die Museen heute besser dastehen als vor zehn Jahren." Diese Behauptung ist in mehrerer Hinsicht falsch und wird nicht richtiger, wenn man sie wiederholt.

Erstens: Die Ausgliederung fand nicht vor "zehn Jahren" statt. 1998 wurde zwar per Gesetz beschlossen, die Bundesmuseen in wissenschaftliche Anstalten öffentlichen Rechts auszugliedern, der Vollzug folgte aber erst später und zog sich bis 2003 hin. Das Museum für Völkerkunde und das Theatermuseum wurden nicht ausgegliedert, sondern vom KHM übernommen. Nicht ausgegliedert wurden zudem das Pathologisch-anatomische Bundesmuseum und das Museum für Volkskunde.

Zweitens: Nirgendwo wird erklärt, warum die Ausgliederung erfolgreich war oder welche Parameter herangezogen wurden, um zu diesem Befund zu kommen. Dass die Museen heute besser dastehen als vor zehn Jahren, hat ganz andere Gründe: die baulichen Sanierungen. 1998 hatten das Technische Museum und die Albertina gerade einmal 100.965 Besucher; 2006 kamen sie auf deren 734.317. In der Tat eine gewaltige Steigerung. Aber beide Museen wurden in der Zwischenzeit um- und ausgebaut. Ähnliches gilt fürs Mumok, für das im Museumsquartier ein neues Gebäude errichtet wurde: Es konnte die Zahl der Besucher verdoppeln (von 109.919 auf 206.060).

Trotz der Erfolge von Albertina, Technischem Museum und Mumok ist die Statistik der Gesamtbesucherzahl aller Bundesmuseen ernüchternd: Sie stieg zwischen 1998 und 2006 nur von 2,95 auf 3,25 Millionen Besucher – um magere 10,36 Prozent. Denn das KHM, Vorreiter bei der Ausgliederung, musste einen enormen Besucherrückgang hinnehmen. Wirklich explodiert aber sind die Einnahmen der Museen durch den Kartenverkauf. 1998 wurden umgerechnet 4,67 Millionen Euro erlöst, 2006 waren es 13,93 Millionen. Das bedeutet eine Steigerung um 198 Prozent (Verdreifachung!). Anders ausgedrückt: 1998 zahlte jeder Besucher im Durchschnitt 1,58 Euro, 2006 aber 4,28 Euro. Die Kosten für den Eintritt stiegen daher um 170 Prozent. Zurückzuführen ist dies einzig auf die Ausgliederung. Denn zuvor mussten die Museen die Eintrittsgelder direkt im Finanzministerium abliefern und hatten daher kein Interesse an hohen Preisen. Was den Vorteil hatte, dass sich auch Personen mit geringem Einkommen den Museumsbesuch leisten konnten. Die ausgegliederten Museen hingegen sind selbst für die Preisgestaltung zuständig: Je höher die Karteneinnahmen (zusammen mit den Sponsorgeldern und den Shoperlösen), desto höher die Eigenfinanzierungsquote. Und diese wird gerne als Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg herangezogen.

Die hohen Eintrittspreise bilden aber eine Barriere: Die SPÖ forderte vor der Nationalratswahl 2006 einen eintrittsfreien Tag pro Monat. Die Einführung zwölf solcher Tage pro Jahr wurde auch ins Koalitionsabkommen aufgenommen. Die Direktoren hatten anfangs nichts gegen einen Gratistag einzuwenden. Denn es war klar, dass sie die zu erwartenden Fehlbeträge ersetzt bekommen zu haben – und so wurde der Gratistag als Hebel für eine Erhöhung der Basisabgeltungen angesehen. Doch Schmied scheiterte in den Budgetverhandlungen für 2007 und 2008; der Gratistag kann nun frühestens 2009 eingeführt werden. Ob er allerdings ein taugliches Instrument darstellt, Personen mit geringem Einkommen den Zugang zu den Museen ermöglichen? Nutznießer dürften in erster Linie Touristen sein.

Die Idee hinter der Entscheidung, die Eintrittspreisgestaltung den Museen zu überlassen, war, die Verantwortlichen zu motivieren. Denn je erfolgreicher eine Ausstellung läuft, desto höher sind die Einnahmen. Doch das kapitalistische System setzte die Direktoren und Kustoden unter ungeahnten wirtschaftlichen Druck: Sie konnten es sich, weil es nun Quoten zu erfüllen galt, nicht mehr oder nur vereinzelt leisten, Ausstellungen zu wissenschaftlich fundierten Spezialthemen zusammenzustellen. Die Fixkosten der Albertina zum Beispiel sind weit höher als die Basissubvention. Schröder muss daher mit den Ausstellungen Geld verdienen. Der wirtschaftliche Druck ist auch einer der Gründe, warum er die ehemalige "Graphische Sammlung" durch die Hereinnahme von geliehenen Pinakotheken in ein Generalmuseum der Kunst umgestaltete. Mit seiner Expansion (thematisch wie räumlich) drang Schröder aber in Hoheitsgebiete anderer Museum ein, was für berechtigten Unmut sorgte – zum Beispiel bei Mumok-Direktor Edelbert Köb.

Im Grundsatzpapier der "AG Bundesmuseen" heißt es nun: "Die durch eine Fehlinterpretation der Ausgliederung verstärkte Selbst-Bezogenheit der Museen führte zu einer Museumsdebatte, in der sich deren LeiterInnen offensichtlich in einem Gegeneinander wohler fühlen als in einem konstruktiven Dialog." Die Fehlinterpretation den Museen anzulasten, ist allerdings nicht ganz gerechtfertigt: Der Gesetzestext zur Ausgliederung und die schwammig formulierten Museumsordnungen ließen eben Fehlinterpretationen zu. Und dafür hat das Ministerium die Verantwortung zu tragen.

 Gehrer sah zudem keinen Bedarf, die Museumsdirektoren zum konstruktiven Dialog zu bewegen: Sie rechtfertigte ihr Nicht-Agieren mit der Autonomie, in die sie die Museen entlassen habe, und meinte, sie könne nicht verstehen, woher "die Sehnsucht nach einer zentralen Steuerung der Museumslandschaft " komme. Dieses Dilemma wird auch im Grundsatzpapier der "AG Bundesmuseen" angesprochen: "Die – letztendlich aus der höfischen Tradition rührende und aus dieser relativ unreflektiert übernommene – Beschränkung der kulturpolitischen Landschaft auf Direktoren einzelner Institutionen und die dafür zuständigen Bundesdienststellen führte zu einer Verengung des Diskurses und zu einer oftmals unproduktiven Pattstellung zwischen den Polen 'Autonomie' und 'Zentralisierung'. "

Dass die Ausgliederung eine "Erfolgsgeschichte" ist, scheinen auch die Autoren des Grundsatzpapiers nicht zu glauben (wiewohl sie dies in der Einleitung behaupten). Denn sie fordern die "Analyse von Schwächen, Problemen und Defiziten" ein und stellen – im Sinne eines angeblich offenen Diskussionsprozesses – Fragen: "Hat der Bund die Chancen und Möglichkeiten, Verpflichtungen und Verantwortungen, die sich aus der Ausgliederung der Museen ergeben haben, genutzt? Welche Aufgaben soll das für Museen zuständige Bundesministerium mittelbar und unmittelbar wahrnehmen, um seine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung bzw. gegenüber den Bundesmuseen zu erfüllen?"

Gleich an mehreren Stellen gibt die "AG Bundesmuseen" aber Antworten, die wenig Kompromissbereitschaft signalisieren: "Autonomie kann sich nur entwickeln, wenn es klare Spielregeln zwischen dem Eigentümer, dem zuständigen Aufsichtsorgan und der Geschäftsführung der einzelnen Häuser gibt. Sie sind die unabdingbare Voraussetzung für rasche und transparente Entscheidungswege. In diesem Bereich bestehen derzeit schwerwiegende Mängel." – "Bundesmuseen brauchen nachvollziehbare und überprüfbare inhaltliche und strukturelle Rahmenbedingungen als Grundlage für die Entwicklung einer unverwechselbaren Identität, die sich als eine Stimme in einem Orchester versteht." – "Jedes Museum muss ein eigenes klares Profil entwickeln. Dies geschieht aber im Bewusstsein, dass jedes Museum (...) kooperativ mit den anderen Museen zusammenarbeitet. Die Entwicklung eines positiven Gesamtimages der 'Sammlung Österreich' und der diese treuhändisch verwaltenden Bundesmuseen müssen zu den wichtigsten Anliegen jedes Museums gehören." – "Im Rahmen des von Regierung und Ministerium formulierten Leitbilds für die 'Sammlung Österreich' haben die Museen im Rahmen ihrer Autonomie untereinander ihre Sammlungs-, Ausstellungs- und Vermittlungsprogramme zu koordinieren. Es obliegt jedoch dem Ministerium (...) die Entwicklungen zu beobachten und in seiner Gesamtverantwortung dann einzugreifen, wenn sich unbegründete Veränderungen oder unlösbare Konflikte abzeichnen. " – "Nur wenn klare Verhältnisse in Bezug auf Entscheidungskompetenz, Verantwortung, Kontrolle bestehen, kann Einmischung in die Autonomie verhindert, zurückgedrängt, aber auch unnötiges Involvieren des Ministeriums in interne Probleme zwischen den Leitungsebenen ausgeschaltet werden."

Deutlicher kann man es nicht sagen. Die Direktoren haben die Botschaft hoffentlich verstanden. Damit man dereinst wirklich von einer "Erfolgsgeschichte" sprechen kann.

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