Schon mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten und immer mehr davon in Slums und Gettos. Städte stehen vor großen Herausforderungen und Veränderungen durch infrastrukturelle, wirtschaftliche und soziale Probleme. Sie sind nicht auf Solidarität und erweiterten politischen Zusammenhang begründet, sondern auf Ausschluss. Auch wenn schon zu Beginn auf Mechanismen der Exklusion beruhend, hieß es zumindest im Mittelalter, Stadtluft mache frei. Millionen drängen in die Städte, auf der Suche nach dem »Gespenst der Freiheit«. Wie im gleichnamigen Film ertönen Rufe »Nieder mit der Freiheit, lang leben die Ketten«, wenn sich im Namen der Freiheit alle Mächte der Welt zu einer heiligen Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbünden.
Globalisierung bezeichnet die erfolgreiche Eroberung des Raums in der Moderne. Transportkosten rund um die Welt sind dramatisch gefallen und die Kommunikation und Übertragung von Daten und immateriellen Gütern sind nahezu unmittelbar. Städte waren immer schon Zentren des Wohlstands, aber die Finanzdienstleistungszentren der Welt sind vor allem das Ergebnis einer Sequenz von Technologien zur Überwindung von Entfernung.
Transnationale Architekturen der Macht und Kontrolle verbinden diese Zonen des Reichtums in einer Vielzahl von Erscheinungsformen. Geographische Kategorien von Nord und Süd, oder Industrie- und Entwicklungsländern sind in einer globalisierten Welt zunehmend nutzlos. In vielen »entwickelten Städten« gibt es extreme Armut, während die Städte Süd- und Ost-Asiens von luxuriösen High-Tech Enklaven durchsetzt sind. Der innere Kern westlicher Städte, oder auch Vorstädte wie die Pariser Banlieus, sind Kolonien im Inneren, Zonen der Vernachlässigung und des Entzugs urbaner Leistungen.
Globale Städte und Weltstädte sind als Knotenpunkte der transnationalen Wirtschaftsarchitektur und der Kontrolle der wichtigsten Ressourcen von geostrategischer Bedeutung. Sie organisieren Finanzierung und Produktion und die Einbindung der Welt in Transport- Logistik- und Überwachungsstrukturen. Ein integriertes Netzwerk von Weltstädten, das die neoliberalen Volkswirtschaften und die Ausdehnung ihrer Hegemonie orchestriert.
Zu der Bedeutung als wirtschaftliche Abgrenzung von Regionen kommt die symbolische Rolle der städtischen Flächen zur Demonstration von Macht und Herrschaft, Plätze, die jeweils auch politische oder religiöse Regimewechsel abbilden. Sie sind bildliche Räume der dominanten Ideologie, deren narrative Ausgestaltung und Bedeutungsmanipulation meist dem Handwerk der Kunst überlassen bleibt.
Großstädte werden gerne als Schmelztiegel bezeichnet. Aber in der radikalen Heterogenität von Weltstädten wirkt Nationalismus als imaginierte homogene Gemeinschaft obsolet. In der Inkommensurabilität globaler Städte wird, jenseits von Beweisbarkeit, der Mythos supranationalen Kapitalismus eine psychologische Notwendigkeit, und zur einzig gültigen Lesart von Globalisierung. Städte definieren sich nicht mehr durch die Beziehung zum Souverän, sondern durch das Zusammenwirken individuellen Begehrens, eingebettet in Bürokratien abstrakter Finanzlogik und asymmetrischen Interessen globaler Eliten.
Geld und Besitz wurde zu den institutionellen Mechanismen, durch die Begehren und Wunschbefriedigung objektiviert, manipuliert und verwaltet werden. Ein Verständnis der Stadt kann sich daher nur über diese Verdinglichung von Beziehungen erschließen. Wo Menschen zu Dingen werden, sind ihre Institutionen nicht darauf eingerichtet, menschliches Potential zu entwickeln, oder eine Artikulation menschlicher Möglichkeiten jenseits von Konsumzombies zuzulassen.
In einer von Marktmechanismen konstituierten Gemeinschaft ist soziale Gerechtigkeit ein Kategorienfehler. Geld ist ein seltsames Ding, denn obwohl es den Charakter eines Naturgesetzes bekommen hat, ist niemand in der Lage, diesen Talisman des Verlangens zu definieren. Aber der Glaube an übernatürliche Marktkräfte ist tief verwurzelt, und die herrschenden Institutionen stellen alle Alternativen als armselige Irrlehren dar. Jede finanzielle Transaktion ist ein kultureller Akt des Glaubens und Sakrament einer Gemeinschaft, die an dieses Zahlungsmittel glaubt.
So wurden unmittelbar nach den Anschlägen auf das WTC die Fortführung des New Yorker Aktienhandels zum ideellen Kampf gegen das Böse und der Konsum zur patriotischen Verpflichtung. Zahlungsmittel sind Kommunikation. Es ist nützlich zu wissen, was sie sagen. Aber Geld spricht vor allem mit sich selbst und sagt wenig. Dennoch haben sich die Kommunikationsprotokolle und das semantische Netz der Finanzökonomie tief in das kulturelle Gewebe eingeschrieben. Unterstützt durch nachträgliche Rationalisierung orakelhafter Hohepriester und Marktflüsterer, so zuverlässig wie spätabends im Astro-TV.
Den Modernismus der Rationalität von Sprache hinter sich lassend, basiert die Stadt im Netzwerk des Finanzkapitals auf einer Sprache ohne Bedeutung. Die Kohäsion der Gemeinwesen im Austausch halb verstandener Codes beruht zunehmend auf den Kräften der Imagination und kulturindustriellen Produktion. Kunst und kulturelle Mythen sind das Schmiermittel für die Friktion und inneren Widersprüche supranationaler Systeme. Säkulare Mythologien transzendieren nicht nur Marktversagen und Überproduktion, Kulturfetische und ihren Trabanten sind Navigationssysteme von Lebensart. Kulturelle Sternbilder und Attraktoren gestalten Spielregeln der Wirklichkeit und stellen den Rahmen interpersoneller Beziehungen. Ein Kunststreik macht noch keine Ölkrise, aber wenn die Imagination nicht mehr will, stehen alle Räder still.
Die Picatrix, ein altes arabisches Grimoire, war im Europa des Mittelalters und der Renaissance weit verbreitet. Darin wird die östlich von Ägypten gelegene legendäre Stadt Adocentyn beschrieben. Nach chaldäischer Überlieferung war die von Mauern umgebene Stadt des mythischen Hermes Trismegistos an den Toren von vier sprechenden Statuen bewacht. Die Zitadelle krönte ein Leuchtturm, der die Stadt in den sieben Planeten-Farben anstrahlt, in den Mauern waren magische Bilder eingelassen, »um die Tugendhaftigkeit der Bewohner zu fördern und Schaden abzuwehren«. Ein Konzept, das an Werbung und Werbetafeln, die auf »ideale Orte« oder »ideale Objekte« verweisen oder die Errichtung von Funktürmen in modernen Städten erinnert.
Eine frühe Form strategischer Kommunikation, die Kunst im öffentlichen Raum und symbolische Zusammenhänge zur Verhaltensbeeinflussung anwendet. Adocentyn inspirierte viele Utopische Systeme der Renaissance, wie J. V. Andreaes »Christianopolis« oder Campanellas »Stadt der Sonne«.
Künstler beschäftigten sich intensiv mit dem Konzept einer idealen Stadt, die allerdings meist virtuelle Phantomstädte blieben. Auch wenn sich rückblickend ästhetische Gesichtspunkte in den Vordergrund drängen, so waren ideale Städte der Renaissance dem Funktionalismus eines utilitaristischen Designs verpflichtet. Ähnlich Leonardo Da Vinci’s streng geometrischer Stadtplanung, die sich durch die perfekte Integration von einem Netz von Kanälen und Abwassersystemen auszeichnet, waren orthogonale Gitter idealer Städte Ausdruck von Rationalität. Die regelmäßige Geometrie starker Perspektiven und gerader Straßen bildet politische und wirtschaftliche Zusammenhänge ab, die Zentralmacht von Staat und Kapital.
Ringförmig passive Befestigungen des Mittelalters erwiesen sich im Zeitalter des Schwarzpulvers als ungeeignet gegen Kanonen, Wehranlagen wurden sternförmig. Dieser Typus der sternförmigen Stadt beeinflusste lange Zeit viele utopischen Systeme.
»Die Stadt der Sonne« (Civitas Solis) ist eine urbane Utopie des italienischen Philosophen Tommaso Campanella. Verfasst im Jahr 1602, nach seiner Verhaftung wegen Aufruhr und Ketzerei. Darin wird eine egalitäre Gesellschaftsordnung beschrieben, in der Besitz und Ressourcen gemeinschaftlich verwaltet werden. Jeder, je nach Neigungen und Fähigkeiten, findet mit vier Stunden Tagesarbeit sein Auslangen. Campanella, an neuen Entdeckungen sehr interessiert, prophezeite auch spektakuläre neue Erfindungen, wie zum Beispiel selbstfahrende Schiffe ohne Segel. Denn Wissen wird nicht in Büchern und Bibliotheken verschlossen, sondern ist für alle offen. Die Mauern sind bemalt mit allen Künsten und Wissenschaften. Wissenschaftliche Visualisierung und Kunst im öffentlichen Raum förderten eine schnelle und effiziente Form der Wissensaufnahme. In diesem Theater des Wissens spielen Kinder und lernen dabei ohne jede Anstrengung. Die Stadt der Sonne ist ein Speicher-Gerät der Ars Memoria, eine urbane Gedächtnismaschine wie das mythische Adocentyn.
Die Kunst der Erinnerung nutzt die emotionale Macht der Bilder, als Teil einer magischen Praxis, die ein ungewöhnlicher, aber systematischer Zugang zur Bedeutung von Raum für menschliches Handeln ist. Raum beeinflusst Verhalten, Handlungen werden über Entfernung, durch den leeren Raum hinweg, beeinflusst. Nicht nur in der Vergangenheit waren solche Konzepte nützlich, ein Verständnis komplexer Verbindungen zwischen realem Raum und menschlichem Verhalten betrifft auch sozialwissenschaftliche Raumkonzepte der Zukunft.
Die ideale Stadt ist eng mit der Frage verbunden, wie eine Gesellschaft am besten strukturiert sein sollte, mit einer politisch-sozialen Utopie. Auch wenn Utopien vielfach an historische Vorstellung einer theokratischen Ordnung anknüpfen, diskreditiert mit dem Verdacht des Totalitarismus, so gibt es nicht den geringsten Grund anzunehmen, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben. Dies zu glauben, kennzeichnet einen gravierenden Mangel an gesellschaftspolitischer Vorstellungskraft. Dieser Mangel spiegelt sich auch in Kunst und Kultur. »Neu Babylon« ist abgebrannt.
Die Institutionen der Stadt reflektieren den Charakter und die Kultur beamteter Verwaltungskräfte. Schon an der Wurzel ihrer Entstehung steht die Stadt unter dem Vorzeichen einer bürokratischen Meritokratie, und die Angehörigen dieser Klasse können sich für egalitäre Utopien oder radikale kulturelle Visionen nur wenig erwärmen. Im Zusammenwirken mit Politik, Wirtschaft und Finanz bilden sie Konsens. Im Austausch mit verschiedenen Sektoren des Establishments werden Prozesse in Gang gesetzt und Fakten geschaffen. »Kultur« bildet dabei das Dekorum. Ein übersteigertes Vertrauen in die Steuerbarkeit von Fakten bei geringer Wertschätzung demokratischer Mechanismen wird von einem Hang zur Undurchsichtigkeit ausgeglichen.
Denn bürokratische Strukturen, mit dem Gestus vermeintlicher Unfehlbarkeit, arbeiten gerne im Verborgenen. Die faktische Macht des Institutionellen verschleiernd und immer auf Sachzwänge verweisend, verbergen sich hinter der Fassade effizienter Bescheidenheit byzantinische Formen des Despotismus. Zeitgenössische Kunstförderung ist für das Management der Stadtverwaltung zunächst ein Instrument, um politisches Dissens-Potential einzugrenzen und ein Ventil für jugendlichen Enthusiasmus. Es sind Beamte, die entscheiden, ob Kunst Kunst ist oder eine Störung der öffentlichen Ordnung. Vor dem Hintergrund, dass die Produktionsstätten des Westens vielfach in so genannte Billiglohnländer ausgelagert sind, werden im Rahmen von Wirtschaftsförderung in den Postindustriellen Gesellschaften nun plötzlich »Innovation« und Kultur zum wirtschaftlichen Motor aufgewertet.
Richard Florida, ein Tele-Evangelist der schillernden Kreativindustrie, bietet vorgeblich Einblick in diese neue wirtschaftliche Entwicklung. Er wurde mit seiner Kreativitätsskalierung von Städten bekannt sowie mit dem Homosexuellen- und Boheme-Index als Indikator für tolerante und lebendige Regionen. Florida behauptet, dass er zum Wirtschaftswachstum korreliert sei, da er die Mitglieder der kreativen Klasse anziehe. Das Ganze hat er auf die Formel »Technologie, Talent und Toleranz« gebracht. Wohlmeinende linksliberale und bürgerlich liberale Entscheidungsträger sind fasziniert von den Creative-Industries-Schlagworten. Manch sozialdemokratischer Bürgermeister kommt bei Sonntagsreden nicht mehr ohne sie aus. Vermeintlich einfache Lösungen für die Verschiebung ökonomischer Schwerpunkte hin zu einer entmaterialisierten Wertschöpfung.
Gespeist aus Beobachtungen von Phänomenen der Internet-Blase mit ekstatischen Formen des Kapitalismus und eines kognitiven Proletariats das seinem Ennui mit einer zweifelhaften Vermengung von Arbeit und Spiel begegnet. Trotz fragwürdiger Daten schwadronieren massenhaft Politiker und Journalisten ganz begeistert über die »Kreative Klasse«, allerdings mit gänzlich verschiedenen Vorstellungen über ihre tatsächlichen Bestandteile. Die Idee, dass marginale Faktoren, wie eine eigenwillige Kunst-Szene, ein Fundament wirtschaftlicher Macht seien, ist sicherlich charmant. Die Auffassung, dass die politische Kaste diese künstlich erzeugen kann, erweist sich aber als illusorisch. Trotz jahrelanger Kreativrhetorik gibt es 0% mehr reale Toleranz für andere Lebensentwürfe oder Talentförderung durch das Ent-Ökonomisieren des Lebens (wie z.B. billigeres Wohnen etc.). Richard Floridas 3 T’s der »Kreativen Klasse« in Bobostan, Peak-Oil Yuppies, mit meist mäßigem Talent und einem ausgeprägten Fetisch für Lifestyle Technologie, verwechseln Ignoranz mit Toleranz.
Als kulturtheoretisches Gegenstück dazu kann die konservative Broken-Windows-Theorie, das Fundament der so genannten Nulltoleranz-Strategie, gelten. Sie bezeichnet ein in den USA entwickeltes Konzept, wonach vergleichsweise harmlose Phänomene, wie z.B. ein zerbrochenes Fenster in einem leerstehenden Haus, zu völliger Verwahrlosung und Zusammenbruch der Sicherheit im ganzen Viertel führen. Diese Broken-Windows Hypothese ist, obwohl nie bewiesen und vielfach widerlegt, populär und weit verbreitet. Eine Idee, die vom Manhattan Institute Think-Tank mit dem Motto »Turning Intellect into Influence« als Motor einer neuen Kontrollkultur verbreitet wurde. Obwohl sie Ursachen von Kriminalität nicht erklären kann, sondern nur Symptome beschreibt, bildet sie den vermeintlich wissenschaftlichen Unterbau zahlreicher kriminalpräventiver Maßnahmen.
Sicherheitsfragen und Urbanisierung sind eng verbunden, Befestigung und Umgrenzung städtischen Raums durch defensive und aggressive Architektur sind Teil einer langen Entwicklung. Die städtische Morphologie und Geographie entwickeln sich mit der Technologie von Krieg und politischer Gewalt. Blickachsen sind Schusslinien, Stadtbahnen waren Truppentransporter, das Wort Boulevard leitet sich von Bollwerk bzw. »Bulwerke« ab und schon die Bibel widmet sich gerne dem Thema der Belagerung und Vernichtung von Städten. Urbanismus von heute ist nicht von traditionellen Mauern und Befestigungsanlagen bestimmt, sondern über eine Logik der Produktion von Raum und von intelligenten Systemen für die Organisation und Kontrolle dieses Raums. Neue Sicherheitskonzepte konzentrieren sich vor allem auf Städte, Störung ist schlecht für die Wirtschaft. Insbesondere die technischen Systeme und Infrastrukturen, auf die sich das städtische Leben stützt, sind Schwachstellen und ein militärisches Ziel. Militarisierte Zonen der Kontrolle, werden in den Bau, die Wartung und den Ausbau dieser Netzwerke voll integriert. Befestigung im traditionellen Sinn wird zunehmend zum kulturellen Dekor, zur symbolischen Markierung von Wirtschaftsmacht und Status.
Statt aus Mauern und Wällen bestehen die neuen Architekturen der Kontrolle aus Software-Algorithmen, Satelliten und elektronischen Tracking-Systemen. Befestigungsanlagen wandeln sich in globale Assemblagen kontinuierlicher Verknüpfung von Datenbanken und Sensoren. Weltumspannende sozio-technische Sicherheitsarchitekturen im städtischen Leben ersetzen traditionelle nationalstaatliche Grenzen. Immaterielle Ordnungssysteme fragmentieren, zonieren und stratifizieren städtische Räume. Freihandelszonen, Export-Zonen, Zollfreilager und Sonderwirtschaftszonen, Gated Communities, Privatisierung öffentlicher Plätze, »Sicherheitszonen« oder Flughäfen. Überall entstehen neue städtische Grenzlinien, wo die Ströme der Stadt durch »Checkpoints« gezwungen werden und militarisierte Überwachungsnetzwerke die Grenzen zwischen »Außen« und »Innen« organisieren.
Fragmentierte Räume stehen nicht im Widerspruch zu Oligopolen und extremen Marktkonzentrationen. Städtische Räume, als Medium des »Krieg gegen den Terror«, sind gleichzeitig auch ein Ort der Revolte. Der Feind ist nicht vor den Toren, sondern im Inneren verborgen. Die Produktion von Raum in diesem omnidirektionalen Krieg mobilisiert den Einsatz von Sensoren und Softwaresystemen – durch biometrische Pässe, globale Logistik und E-Commerce, Airline-Profiling sowie Navigations-und Zielsuchsysteme. Als verborgene Möglichkeiten der Kontrolle entmündigter Subjekte werden zunehmend intelligente Materialien in das Sicherheitsgefüge sozialer Räume und in Infrastrukturen urbaner Orte gewebt. Elektronische Steuerungsmechanismen orchestriert zur Instrumentalisierung des Individuums, Kontrollgesellschaften eingebettet in intelligentem Ambiente. Genährt von technophilen Träumen einer illusionären Allwissenheit und totalen Überwachung, erfüllen diese Einrichtungen den Zweck der Verhaltensbeeinflussung indem sie Spielregeln bestimmen.
In der zunehmenden Verschmelzung von Industrie und Polizei, Eventmanagement und Grenzkontrollen, urbaner Sicherheit und Unterhaltung, verschwindet die traditionelle Trennung zwischen militärisch und zivil, dem »Innen« und dem »Außen«. Die Verbindung zwischen den immobilen Räumen von Straßen und Gebäuden und den fluiden Feldern der Wunschbefriedigung, dem Bereich von Gedächtnis und Phantasmen, bildet sich in der Kolonisierung von äußerem und innerem Raum durch den militärischen Unterhaltungskomplex ab. Der Entertainment-Security Komplex durchdringt und normalisiert Kulturen. Nicht nur in der engen Verbindung von digitalem Entertainment, städtischen Simulationen und elektronisch unterstützter Kriegsführung. Der globale Wanderzirkus temporärer Sicherheitszonen von G8-Treffen, Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften wird zur Normalität. Gipfelkonferenzen, Massenevents und Gladiatorenkämpfe, die durch Heerscharen von umherziehenden Spezialisten eingerichtet und überwacht werden.
Die Media-Entertainment-Military Industrie feiert nicht nur den Sicherheitsfetisch, es ist ihr Geschäftsmodell. Sie profitiert von »Desaster-Kapitalismus«, Mob-Mentalität und Angst. Söldnertruppen privater Sicherheitsdienstleister, öffentliche und privat-öffentliche Stellen sind zunehmend legitimiert, im Namen des Kapitals, des Staats, oder der Stabilität des »internationale System« Gewalt einzusetzen. Die Zukunft militärischer Expeditionen liegt jedoch nicht in der Abwehr von Invasionen, sondern in der Verteidigung von Investitionen. Die neue Generation der asymmetrischen Kriegsführung und der so genannte »Lange Krieg« – dauerhaft militarisierte Zonen – stützen sich auf die psychologische Kraft von Bildern in der Erhaltung von Informationsdominanz. Kulturelle Friedenssicherung, Verhaltenssteuerung durch Beeinflussung der Imagination und die ständige Echtzeit-Übertragung von Videos, Bildern und Texten über TV und Netz.
Die Stadt besteht nicht nur aus Mauern, Brücken, Straßen, Gebäuden, Fabriken, Produktionsstätten und Orten des Konsums, symbolisch verortet in Stadtkarten und Grundbüchern, sondern aus einer Topologie von elektromagnetischen Feldern und relationalen geopolitischen Strömen von Energie und Information. Aus Kreisläufen von Kapital, Handel und Personen eingebettet in allgegenwärtige elektronische Präsenz und alldurchdringende Kommunikationstechnologie. Sie umfasst absolute, aber auch relative und relationale Beziehungen von Raum und Zeit in den geopolitischen Einflusszonen von Finanz- und Informationsflüssen als spukhafte Wirkung über Entfernung. Multidimensionale Räume bilden sich aus Gebrauch, Erfahrung und Verständnis. Kulturelle Intelligenz und Praxis befassen sich mit der psycho-geografischen Analyse und Darstellung multidimensionaler Räume. Mit dem Sichtbarmachen von Informations-Dominanz, der Zonierung immaterieller Intellectual Property Regimes, und dem Stratifizieren sozialer Beziehungen im Hyper-Raum. Beides beschäftigt sich mit der Dynamik des Virtuellen und Symbolischen gegenüber materiell erfahrbaren Orten. Den Wechselwirkungen konzeptualisierter Repräsentationsflächen und real gelebter Räume, wo Eigentums- bzw. Herrschaftsverhältnisse, die soziale Macht von Geld, das Maß an Isolation oder Solidarität bestimmen. Kunst und Kultur, jenseits ihrer Funktion als Status-Dekorum oder steuerschonendes Investment, sind Arbeit mit Prozessen und Systemen.
Urbane psycho-geografische Kunst und Praxis untersuchen übergreifende Wirkungsmächte an den Kreuzungen des Trivialen, den Attraktionen populärer Imagination und den Generatoren systemischer Realität. Die Stadt konstituiert sich aus der Intensität und der Instabilität von Wünschen, Hoffnungen und Befürchtungen. Aus Phantasmen ideologischer Hegemonie unter Ausnutzung von Sehnsüchten, Träumen und Frustration, aber auch gelebter Räume von Empathie und internationaler Solidarität. Nicht nur konkurrierende Zentren hegemonialer Dominanz, sondern auch die verstreuten sozialen Bewegungen gegen eine repressive, neoliberale Vorherrschaft sind im Netz globaler Städte verbunden. Strategien des Wandels und konzeptuelle Verdichtung relationaler Raumzeit verwandeln Potenziale kognitiver Arbeit in strategische Realitäten einer informationellen Matrix. Ohne den vielfältigen Reichtum urbaner Heterogenität, abseits des bösen Blicks der Verwertungslogik, wäre auch der homogenisierte Mainstream längst erstickt. Die sichtbaren Zentren bestimmen die Gegenwart, aber die Zukunft entsteht an den Rändern, in Spalten, Brüchen und Zwischenräumen. Die Phantome der Stadt, die Kräfte und Agenten, die sich der Sichtbarkeit entziehen, sind die Zukunft.